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Sekundäre Pflanzenstoffe und pflanzliche Supplemente

Sekundäre Pflanzenstoffe und pflanzliche Supplemente (pflanzliche Nahrungsergänzungsmittel)

AMM Grundlagen Komplementärmedizin – Dr. Löffler und Dr. Winkler_KOI meets NIM, Beitrag VI (August 2023) Sekundäre Pflanzenstoffe und pflanzliche Supplemente

 

Sekundäre Pflanzenstoffe und pflanzliche Supplemente (pflanzliche Nahrungsergänzungsmittel)

 

In Ergänzung zu unserem letzten Beitrag möchten wir nach ausführlicher Besprechung der Vitamine, Mineralien, Spurenelemente und Antioxidantien heute weitere Nahrungsergänzungsmittel besprechen, die zur Gruppe der Sekundären Pflanzenstoffe oder auch (wenn ganze Pflanzenbestandteile und nicht nur Einzelsubstanzen verwendet werden) zur Gruppe der pflanzlichen Supplemente gezählt werden können.

Wann spricht man im Fall von pflanzlichen Zubereitungen von Nahrungsergänzungsmittel und wann von Phythotherapeutika? – Hintergrundinformationen zur Studienlage und zum Zulassungsstatus

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Manche Präparate können Ergebnisse aus randomisierten, ausreichend großen und kontrollierten Studien vorweisen oder wenigstens eine Erfahrung von mindestens 30-jährige Anwendung im europäischen Raum haben. Wenn diese Bedingungen erfüllt sind, können Zubereitungen, die teils auch mehrere Pflanzen enthalten als Phytotherapeutika zugelassen bzw. registriert werden. Präparate mit produktspezifischer sehr guter Studienlage erkennen Sie an der Zulassungsnummer (well established use). Präparate mit zumindest 30-jähriger Erfahrung in der Anwendung an der so genannten Registrierungsnummer (traditional use). Zugelassene Präparate unterliegen dem Arzneimittelgesetzt (AMG), werden streng überwacht und unterliegen den gleichen Qualitätsstandards und Auflagen wie ein reguläres Arzneimittel. Die Zulassung oder Registrierung hat aber nichts damit zu tun, ob ein Arzneimittel rezeptpflichtig ist. Für Patient:innen, die eine Privatversicherung abgeschlossen haben werden die meisten dieser Präparate von den Kassen erstattet. Patient:innen, die gesetzlich versichert sind müssen mit wenigen Ausnahmen die Kosten leider selbst tragen. Nähere Informationen zur Erstattungsfähigkeit von Phytotherapeutika finden Sie auf den Internetseiten der Deutschen Gesellschaft für Phytotherapie.

Auch wenn ein pflanzliches Arzneimittel seine Wirksamkeit und Sicherheit in definierten Prozessen nachweisen musste, besteht trotzdem das Risiko von Wechselwirkungen mit der Krebstherapie, insbesondere, da die Phytotherapeutika nicht im Hinblick auf das Interaktionspotential jedes neuen Krebsmedikamentes hin systematisch untersucht werden. Um die klinischen Auswirkungen in vollem Umfang einschätzen zu können, müssten sowohl das Arzneimittel als auch die Pflanze gemeinsam am Menschen untersucht werden. Bisher wurden jedoch nur sehr wenige Kräuter und Arzneimittel auf diese Weise untersucht, und ein Großteil des derzeitigen Wissens beruht auf Daten aus Zellkultur- und Tier- Modellen.

Es bleibt daher weiterhin wichtig die grundsätzlichen Empfehlungen zum Thema Interaktionen zu beachten. Die wichtigsten Hinweise zum Thema Interaktionen haben wir im Beitrag „Nahrungsergänzungsmittel“ für Sie zusammengefasst.

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Diese Zusammenstellung soll Ihnen eine erste Orientierungshilfe sein und ist sicher nicht vollständig. Bitte besprechen Sie spezifische und individuelle Anliegen immer zusätzlich mit Ihrem behandelnden Arzt, bevor Sie ggf. mit der Einnahme von Supplementen beginnen!

Nähere Informationen und fachlich kompetente Aussagen finden Sie als Patient:innen auch in der Patientenleitlinie Komplementärmedizin des Leitlinienprogramms Onkologie. In der S-3 Leitlinie Komplementärmedizin bei onkologischen Patient:innen haben sich in einem mehrstufigen Abstimmungsprozess die Experten der verschiedenen deutschen Fachgesellschaften zusammengesetzt und das Wissen zur Komplementärmedizin aus wissenschaftlichen Studien und Forschung gesichtet und hieraus hilfreiche Empfehlungen erarbeitet. Im Kapitel Biologische Therapien finden sich die Informationen zu den gängigsten Nahrungsergänzungsmitteln, sekundären Pflanzenstoffen und pflanzlichen Supplementen.

Die Leitlinie können Sie sich als Broschüre nach Hause schicken lassen oder als PDF von der Homepage des Leitlinienprogramms Onkologie herunterladen.

Grundsätzliche Empfehlungen zur Anwendung pflanzlicher Supplemente

Ebenso wie die Leitlinie „Klinische Ernährung in der Onkologie“ der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM) (1) thematisiert auch die Leitlinie „Komplementärmedizin in der Behandlung onkologischer Patient:innen n“? (2) das Thema Nahrungsergänzungsmittel mit allgemeinen Empfehlungen und mit speziellen Kapiteln zu den einzelnen Supplementen. Die Zusammenfassung zu den allgemeinen Empfehlungen und auch zum Thema Interaktionen finden Sie in unserem letzten Beitrag zusammengefasst.

Auf Grund der Vielzahl an pflanzlichen Präparaten können wir diese nicht alle einzeln aufführen und besprechen. Aber wir möchten Ihnen Im Folgenden allgemeine Überlegungen zu pflanzlichen Supplementen erklären.

➢ Pflanzliche Supplemente können als Radikalfänger (= Antioxidantien) wirken und daher den Erfolg einer Krebstherapie gefährden

Nicht nur Vitamine, sondern auch pflanzliche Supplemente wirken zum Teil als Radikalfänger Zubereitungen, die antioxidativ wirken sind z.B. Brokkoli-Extrakte/Sulforaphane, Traubenkernextrakte/OPC, Mariendistel, Curcuma oder auch Grüntee-Extrakte Hintergrundinformationen zum Thema „Antioxidantien“ finden Sie im Beitrag Nahrungsergänzungsmittel.

➢ Pflanzliche Supplemente können blutverdünnende Wirkung haben

Wieder andere Pflanzenzubereitungen können die Blutgerinnung beeinträchtigen, so dass Patient:innen, die blutverdünnende Medikamente einnehmen oder die sich einer Operation unterziehen müssen auf die Einnahme dieser Supplemente verzichten bzw. diese mindestens 2 Wochen vor einer geplanten OP absetzen sollten (z.B. Grüner Tee, Rosmarin, Kamille, Leinsamen, Ingwer, Salbei, Curcuma, Chinesische Pilze) (3). Einige Phytopharmaka könnten bei hochdosierter Einnahme möglicherweise auf Grund theoretischer Überlegungen auch mit Narkosemedikamenten wechselwirken (3) und sollten daher vor geplanten Operationen ebenfalls abgesetzt werden (z.B. Salbei, Kamille und Melisse, Grüner Tee).

➢ Pflanzliche Supplemente können das Immunsystem beeinflussen

Nach einer allogenen Blutstammzelltransplantation müssen Patient:Innen für eine gewissen Zeit Medikamente einnehmen, die das neue Immunsystem noch unterdrücken bis es sich an den Körper „gewöhnt“ hat. Einige Phytopharmaka können den Wirkspiegel häufig verwendeter Immunsuppressiva beeinflussen. Johanniskraut führte zum Beispiel in einer Studie mit Nierentransplantierten, bei denen die gleichen Präparate eingesetzt werden,  zu einer Absenkung der Blutspiegel von Cyclosporin oder auch Tacrolimus um bis zu 50% (4). Auch viele andere pflanzliche Supplemente können das Immunsystem stimulieren (z.B. Astragalus (5), Echinacea (6), sibirische Taigawurzel, Viscum Album oder auch Chinesische Pilze). Das könnte nicht nur die Wirkung von Immunsuppressiva beeinträchtigen, sondern auch zu vermehrten Nebenwirkungen führen, wenn Medikamente eingesetzt werden, die das Immunsystem gegen Krebs aktivieren sollen (wie z.B. Checkpointinhibitoren). Wenn ein Teil des Immunsystems selbst krank ist, wie z.B. beim Multiplem Myelom die Plasmazelle bleibt ebenso unklar, ob kranke Zellen möglicherweise ebenfalls durch immunstimulierende Pflanzen angeregt werden könnten, sodass wir aus all diesen Gründen sicherheitshalber empfehlen würden auf immunmodulierende Supplemente zu verzichten, wenn:

- Immunsuppressiva eingenommen werden,

- Sie eine Therapie erhalten, die das Immunsystem gegen Krebszellen anregen soll,

- oder Sie an einer Krebserkrankung des Blutes oder des Lymphsystems leiden.

Ich habe gelesen, dass ein bestimmtes pflanzliches Supplement mir guttun könnte oder eine Empfehlung hierfür bekommen – wie soll ich mich verhalten?

Wie Sie nach dem Lesen dieser Zusammenfassung bemerkt haben ist es gar nicht so einfach pauschale Aussagen zur Sinnhaftigkeit und vor allem Sicherheit von pflanzlichen Supplementen zu treffen. Eine Beratung sollte immer zugeschnitten auf die Situation des Patient:innen und seine aktuelle Therapie, Begleitmedikation und Vorerkrankungen erfolgen. Wir empfehlen Ihnen daher sich zunächst gründlich zu informieren und immer das Gespräch mit Ihrem Behandlerteam zu suchen.

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Wenn Sie fachkundige und sachlich zusammengefasst Informationen zu bestimmten pflanzlichen Supplementen zur Vorbereitung auf das Gespräch mit Ihrem Onkologen nutzen möchten, empfehlen wir in Ergänzung zur S3-Leitlinie Komplementärmedizin die App „About Herbs“ des Memorial Sloan Kettering Cancer Centers, das eine ausgewiesene internationale Expertise im Thema Integrative Onkologie aufweist. Die App ist frei verfügbar in einer Desktop Version oder auch fürs Handy:

Hier geht zur Version für Android à

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Hier geht’s zur Version für Apple à

Autorinnen: 

Dr. med. Claudia Löffler Comprehensive Cancer Center Mainfranken und Universitätsklinik Würzburg
Dr. med. Marcela Winkler Robert-Bosch-Krankenhaus Stuttgart

(Stand August 2023)

Literaturverzeichnis

1. DGEM. Leitlinien; 2016 [cited 2023 Aug 8]. Available from: URL: https://www.dgem.de/leitlinien.

2. Leitlinienprogramm Onkologie: Komplementärmedizin; 2023 [cited 2023 Aug 7]. Available from: URL: https://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/leitlinien/komplementaermedizin.

3. Levy I, Attias S, Ben-Arye E, Goldstein L, Matter I, Somri M et al. Perioperative Risks of Dietary and Herbal Supplements. World J Surg 2017; 41(4):927–34.

4. Bauer S, Störmer E, Johne A, Krüger H, Budde K, Neumayer H-H et al. Alterations in cyclosporin A pharmacokinetics and metabolism during treatment with St John's wort in renal transplant patients. British Journal of Clinical Pharmacology 2003; 55(2):203–11.

5. Wei W, Xiao H-T, Bao W-R, Ma D-L, Leung C-H, Han X-Q et al. TLR-4 may mediate signaling pathways of Astragalus polysaccharide RAP induced cytokine expression of RAW264.7 cells. J Ethnopharmacol 2016; 179:243–52.

6. Lee AN, Werth VP. Activation of autoimmunity following use of immunostimulatory herbal supplements. Arch Dermatol 2004; 140(6):723–7.

7. Somasundaram S, Edmund NA, Moore DT, Small GW, Shi YY, Orlowski RZ. Dietary curcumin inhibits chemotherapy-induced apoptosis in models of human breast cancer. Cancer Research 2002; 62(13):3868–75.

8. Chen Y, Liu W-H, Chen B-L, Fan L, Han Y, Wang G et al. Plant polyphenol curcumin significantly affects CYP1A2 and CYP2A6 activity in healthy, male Chinese volunteers. Ann Pharmacother 2010; 44(6):1038–45.

9. Daveluy A, Géniaux H, Thibaud L, Mallaret M, Miremont-Salamé G, Haramburu F. Probable interaction between an oral vitamin K antagonist and turmeric (Curcuma longa). Therapie 2014; 69(6):519–20.

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